Wuppertal - Köln
Auf dem Jakobsweg durchs Bergische Land

  Ein gelber Pfeil weist auf der Via de la Plata den Weg nach Santiago. Foto: Ursula Pfennig
  Aufbruch in Schwelm

Foto: Ursula Pfennig
  Waldweg bei Schwelm

 
  Bei Schwelm


Überall rauschen Bäche


Bei Dahlhausen


Sägewerk in Weuste.



Gastraum des Anglerheims

alle Fotos: Ursula Pfennig

14. Januar 2011, Schwelm - Beyenburg
Zu Gast im Anglerheim

Seit Tagen regnete es. Ich brauchte mal wieder Auslauf - gegen verspannte Schultern und ein gammelndes Gemüt. Eine Verabredung mit Freunden in Köln setzte den Zielpunkt. Doch fürs Bergische Land - immerhin eines der regenreichsten Gebiete Deutschlands - war am Vortag eine Unwetterwarnung wegen "sintflutartiger Regenfälle" herausgegeben worden. Ich zögerte noch, schaute noch einmal im Internet nach den Wettervorhersagen. Sprühregen. Naja, das ist schon etwas anderes als "Sintflut". Ich brach auf.

Von Schwelm aus führt ein alter Weg über Wuppertal-Beyenburg, Remscheid-Lennep, Wermelskirchen und Kloster Altenberg nach Köln. Es ist ein Jakobsweg, Teil des riesigen Wegenetzes nach Santiago de Compostela, das einst ganz Europa überspannte und zurzeit Stück für Stück wiederbelebt wird. Nachdem ich in Spanien einige hundert Kilometer auf Jakobswegen zurückgelegt hatte, war ich neugierig auf die deutschen Wege geworden. Den Wanderführer für die Strecke von Beyenburg bis Köln besaß ich bereits (Jakobswege. Wege der Jakobspilger im Rheinland, Band 1. Bachem-Verlag, 12.95 €). Doch für die Strecke von Schwelm bis Beyenburg habe ich mir kein Kartenmaterial mehr besorgen können. Ein paar Ausdrucke von Google Earth sollten es auch tun.

Als ich mittags in Schwelm aus dem Zug steige, setzt der Regen ein. Also Flatter-Poncho und Regenhut. Damit  komme ich mir in Städten zwar immer etwas albern vor, aber was soll’s. So bleibe ich trocken und denke mir: Phh, die würden staunen, wenn sie dich im kurzen Kleidchen auf hohen Hacken sehen würden.

Im historischen Ortskern ist die Orientierung einfach: Kirche suchen und dann auf der "Kölner Straße" entlang. So haben es die Pilger vor 700 Jahren auch gemacht. Im Wald wird es dann aber schwierig. Markierungen habe ich nicht gefunden, und der fußläufige Radius der meisten Menschen ist kaum größer als ein, zwei Kilometer rund ums Auto. Gut gemeinte Ratschläge führen da oft in die Irre. In riesigen Schleifen laufe ich fast bis Wuppertal-Barmen zurück, bevor mich ein kundiger Hundehalter wieder auf die richtige Spur bringt. Trotzdem ist’s schön. Die Verspannungen verfliegen, ich tapere durch Wälder und über Hochebenen, und der Regen verflüchtigt sich zu einem feuchten Dunst. "Champagner des Alltags" - so nennt man diesen feinen Regen am Ziel aller Jakobswege im feuchten Norden Spaniens.

Kurz vor – oder besser: über – Beyenburg schickt mich schließlich ein anderer Hundehalter einen irren steilen und rutschigen Hang quer durch den Wald zu einem Fußgängersteg über die Wupper hinunter. Ob ich heute dort trockenen Fußes hinüberkäme, kann er mir jedoch nicht sagen. Schon im 14. Jahrhundert querten die Pilger hier eine Wupperbrücke. Und wer im 18. Jahrhundert, zur Zeit des preußischen Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., über die Wupper ging, entkam der Zwangsrekrutierung. Das taten viele junge Männer, und setzten auf der Bergischen Seite der Wupper einen wirtschaftlichen Aufschwung in Gang.

Der Steg über den Grenzfluss endet für mich im Hochwasser, aber mit ein wenig Klettern und Springen komme ich trocken und heil hinüber. Mehr Sorgen bereitet mir die Übernachtung. Niemand weiß von einem Hotel in Beyenburg, obwohl mein Wanderführer eines aufführt. Im Café Bilstein hilft man mir weiter. Das Hotel gibt es tatsächlich nicht mehr, wohl einen Nachfolgebetrieb, etwa zwei Kilometer in die andere Richtung wieder den Berg hinauf. Oder vielleicht auch ein anderes, einige Kilometer zurück Richtung Barmen. Ich gucke wohl nicht sehr begeistert und frage noch einmal nach, ob es wirklich nichts Richtung Lennep gäbe. Wäre auch nicht anspruchsvoll, hätte den Schlafsack dabei, nur ein trockenes Plätzchen ... tja, vielleicht noch das Anglerheim ... sie würde mal versuchen anzurufen. Yepp! Man erwartet mich. Nach einem Capuccino mache ich mich wieder auf.

Beyenburg entstand rund um ein Kloster, das damals die Pilger beherbergte. Heute spiegelt sich noch die Klosterkirche in einem kleinen Stausee. Ich folge dem Ufer vorbei an Bootshäusern und Campingplätzen, quere die Wupper noch einmal und gelange auf einen Waldweg. Es ist schon dunkel, als ich endlich zwischen den Bäumen ein Licht entdecke. Zwei stattliche Fachwerkhäuser stehen dort, und mit Hilfe des netten Nachbarn  (natürlich auch Angler) finde ich schließlich auch den Eingang.

Welch eine Überraschung! Im Gastraum lodert das Feuer im Kamin, Eichenmöbel und freigelegtes Fachwerk verbreiten eine gemütliche Atmosphäre, und Rosi Wuttke, die das Haus bewirtschaftet, bereitet mir einen vorzüglichen Karpfen in Senfsauce mit Rosinen zu. Und in netter Gesellschaft esse ich auch, da die Angler mich an ihren Stammtisch holen. Weil ich der einzige Gast bin, übernachte ich nicht im Doppelzimmer, sondern für 7,50 € im großen Jugend-Schlafsaal. Das Haus liegt nur einige hundert Meter vom Jakobsweg entfernt. Ein Glücktreffer! Gestärkt setze ich am nächsten Tag den Weg nach Wermelskirchen und dann weiter bis zum Kloster Altenberg fort.

Bergischer Fischerei-Verein 1889 e.V. Wuppertal,
Angler- und Jugendheim
Oede Schlenke 1, 42477 Radevormwald,
Tel. 0202/61500, www.bfv1889ev.de
geöffnet: freitags 14 Uhr bis sonntags 19 Uhr, an Wochentagen nach vorheriger Anmeldung bei Rosi Wuttke, Email H.Wuttke@arcor.de